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Historische sowjetische Funknavigationstechnik

Funkfeuer nach Bashenow (Баженов), 1930

In der Sowjetunion wurde 1927 mit der Installation eines Funkfeuers begonnen, was im Kern einen erheblich erweiterten Telefunken-Kompass darstellte, jedoch eine einfachere und genauere Ortung ermöglichte.

12 Rahmenantennen wurden um jeweils 15° versetzt und nacheinander von einem Sender angesteuert. Jede Antenne strahlte dabei einen Kennbuchstaben als Morsecode aus. An Bord des Flugzeuges waren alle ausgestrahlten Buchstaben mit unterschiedlicher Intensität zu hören, je nach Stellung des Flugzeuges zum Standort der Funkanlage. Der in Richtung des Flugzeuges ausgestrahlte Buchstabe war dabei am stärksten zu hören, der um 90° versetzte am schwächsten. Da sich ein Minimum erheblich besser bestimmen lässt, wurde der am schwächsten zu hörende Buchstabe ermittelt. Anhand von Karten, in welche die entsprechenden Minima als Standlinie eingezeichnet waren, ließen sich die Richtungen zum eigenen Standort ermitteln.

Für die vollständige Bestimmung des Standortes waren zwei Funkfeuer erforderlich (Kreuzpeilung).

Funkfeuer-Navigationsanlage nach Баженов(SU) um 1930

Funkfeuer nach Schtschekin (Щекин)

Anfang der 30er Jahre entstand ein Funkfeuer, ursprünglich für die Zwecke der Seefahrt. So erfolgte auch die erste Installation an der Schwarzmeerküste (Kap Chersones in der Nähe von Sweastopol) und für den nördlichen Seeweg auf den Inseln Dickson und Bely.

Die Anlage war als Dehfunkfeuer ausgelegt. Die Antenne rotierte gleichmäßig mit 1 U/min und strahlte mit einer Sendeleistung von 1 kW bei Wellenlängen von 800...1000m (300...375 kHz). Dabei wurde 5 Minuten gesendet, worauf 5 Minuten Ruhe folgten. In den 5 Minuten Sendung wurden allerdings nur in der ersten Minute 12 Buchstabengruppen als Morsecode gesendet, die folgenden 4 Minuten waren für die Navigation vorgesehen, in denen nur eine modulierte Schwingung abgestrahlt wurde.

Die Ausrichtung der Antennencharakteristik mit Minimum nach Nord-Süd wurden die Buchstaben V (...-) und I (..) so getastet, dass der letzte Punkt genau der Anfangslage (Nord) entsprach. Beim Empfang des Signals wurde die Zeit zwischen dem Nordsignal und dem akustisch festgestellten Minimum gemessen; aus der Zeit ergab sich anhand der Drehfrequenz unkompliziert die Richtung zum Funkfeuer - insbesondere, da man spezielle Zeitmesser benutzte, die gleich in Grad eingeteilt waren und mit der selben Umdrehungszahl wie die Funkfeuer-Antenne lief (1 U/min).

Infolge des Minimums in Nord-Südrichtung war es nahezu unmöglich, eine Peilung zu ermitteln, wenn man selbst nördlich oder südlich des Funkfeuers war. Daher sendete man zusätzlich ein so genanntes Ostsignal mit den Buchstaben B(-...) und I (..), der letzte Punkt entsprach dem Durchlauf des Minimums in Ost-West-Richtung. Damit konnte man in diesem Falle auf das Ostsignal zurückgreifen, um eine Laufzeit vom Ostsignal zu einem Minimum zu ermitteln; allerdings musste man nun am Ablesegerät auch 90° addieren.

Funkfeuer nach Щекин, um 1930

Phasenvergleichs-Funkfeuer (1934)

Im Jahre 1934 wurde ein Funkfeuer entwickelt, das eine Standlinienbestimmung mit Hilfe eines Phasenvergleichs ermöglichte. Auch hier kamen Frequenzen um 300...400 kHz zum Einsatz, das Antennensystem bestand aus 4 feststehenden Richtantennen (2 Paare, senkrecht zueinander stehend, so dass sie in jeden Quadranten strahlten) sowie einem zentralen Rundstrahler. Die Antennen hatten untereinander einen Abstand von 150m und waren 50m hoch- wobei diese Maße den verwendeten großen Wellenlängen aus dem Mittelwellenbereich geschuldet sind.

Funktionsprinzip des Phasenvergleichs-Funkfeuers (SU, 1934)

Über einen Sender wurden zum einen die 4 Antennen angesteuert (dabei erzeugte ein Goniometer ein um die 4 Antennen umlaufendes Signal), zum anderen der zentrale Rundstrahler. Gemeinsam erzeugte die Antennenkonstruktion ein rotierendes, kardioidenförmiges (herzförmiges) Diagramm. Der Goniometerrotor drehte sich mit 1500 U/min (enstprechen 25 Hz)- damit konnte auf elektrischem(!) Wege ein rotierendes Antenndiagramm realisiert werden. Über die zentrale offene Antenne wurde in jedem Moment, da das Diagramm mit dem Maximum über die Nordrichtung strich, ein kurzer intensiver Impuls abgestrahlt; somit zeigt in einer Empfangseinrichtung dieser extreme Impuls eindeutig die Nordrichtung an. An Bord war nun "nur noch" die Zeitdifferenz zwischen dem Nordimpuls und dem positiven Maximum des Empfangssignals zu bestimmen - daraus war dann anhand der bekannten Umdrehungsgeschwindigkeit einfach der Azimut abzuleiten.

Phasenvergleichs-Funkfeuer sowjetischer Konstruktion: Signalverlauf im Empfänger

Phasenvergleichs-Funkfeuer sowjetischer Konstruktion: Anzeige an Bord des Flugzeuges

Technisch einfach und dennoch beeindruckend sinnvoll war die an Bord des Flugzeuges verwendete Anzeigeeinrichtung. Sie bestand aus einem Synchronmotor, der einen aufgesetzten Zeiger mit eben jenen 1500 U/min der Bodenanlage drehte und durch das empfangene Maximum (nicht den Nordimpuls der offenen Antenne!) synchronisiert wurde. Beim Durchgang des Maximums zeigte der Zeiger stets auf 0°/360°.
Um aus diesem rotierenden Zeiger eine sinnvolle Anzeige zu machen, wurde hinter eine durchsichtige Skala eine Stroboskop-Lampe gesetzt. Sie wurde mit dem Nordimpuls synchronisiert und blitzte fortan mit 25 Hz. Damit wurde der Zeiger nur alle 1/25 Sekunde sichtbar und stand damit für den Piloten scheinbar still. Die Phasendifferenz zwischen Nordimpuls und empfangenem Maximum bestimmte die in diesem Moment sichtbare Zeigerstellung.

Instrumentenlandesystem nach Korbanski, 1932

Um 1932 wurde ein Instrumentenlandesystem eingeführt, das den Anflug des Platzes unter schwierigen Wetterbedingungen erleichtern und den Piloten auf den richtigen Kurs bringen sollte. Es erfolgte ausschließlich eine Kursführung und keine Gleitwegführung, wobei dieses Problem vielen Anlagen zu dieser Zeit auch in Westeuropa und den USA anhaftete.

Das System beinhaltete einen Kursführungssender und zwei ungerichtete Funkfeuer als Einflugzeichen. Sie arbeiteten alle im Mittelwellenbereich, so dass sie mit dem an Bord befindlichen Empänger bzw. Funk(halb)kompass empfangen werden konnten.

Sowjetisches Instrumentenlandesystem, 1932. Das System hatte nur eine Kurswegführung und Entfernungsmarker.

Der Kursführungssender strahlte in zwei Keulen eine modulierte Frequenz aus, die vom Piloten als Ton zu hören war; dabei waren in der Keule rechts vom Pfad Striche empfangbar, links vom Pfad Punkte. Hörte der Pilot Punkte, so wusste er, dass er den Kurs weiter nach rechts korrigieren musste. Im 3°...4° schmalen Schnittbereich waren Punkte und Striche gleichzeitig empfangbar und ergänzten sich im Ton zu einem Dauerstrich ("Dauerstrichzone"). Der Dauerstrich war damit das Signal für den Piloten, auf dem richtigen Kurs zu fliegen. Die Zone reichte bis ca. 30 km vor den Flugplatz.

In etwa 3.5 km Entfernung vom Platz befand sich das Voreinflugzeichen, das mit einer gepulsten (~3 Hz) mittleren Tonhöhe moduliert war. Das Antennendiagramm ließ einen Empfang in etwa 1.5 km Umkreis zu, wobei der Pilot anhand der ansteigenden und dann wieder absinkenden Lautstärke (Feldstärke) den Überflug registrierte und sich damit seiner Entfernung vom Landepunkt klar war. Das Haupteinflugzeichen war mit einem höheren, gepulsten (5...6Hz) Ton moduliert und befand sich 300...400 m vor dem Platz. Die Tonsignale der Einflugzeichen waren in ihrem Maximum lauter als die Kurswegsignale und eindeutig hörbar. Anhand der bekannten Entfernung vom Platz musste der Pilot bestimmte Flughöhen und Sinkgeschwindigkeiten einnehmen, um auf dem Gleitpfad zu bleiben und zuverlässig am Aufsetzpunkt herauszukommen.

Das Landeverfahren ohne Gleitwegführung ist allerdings fliegerisches Training und wurde auch in der NVA bis deren Ende durchgeführt, wenngleich vorwiegend von Fliegerkräften (Hubschrauber) ohne die bessere Instrumenten-Landetechnik RSBN/PRMG.

Das Korbanski-Verfahren weist große Ähnlichkeit mit dem zu dieser Zeit ebenfalls entwickelten Lorenz-Blindlandesystem auf; das "Nutzsignal" - die Punkt-, Strich- und Dauerstrichzone als Kurshilfe waren gleich. Allerdings war beim Lorenz-System zusätzlich eine Gleitwegführung vorhanden, die beim hier beschriebenen System vollends fehlte. Darüber hinaus verwendete Lorenz keine Mittelwellen-, sondern UKW-Sender, was erheblich bessere Parameter und Genauigkeiten in der Kursführung ermöglichte.

Das Korbanski-System wurde nach den ersten Jahren des Einsatzes nicht weiter verfolgt, und auch in der Sowjetunion kam schrittweise das Lorenz-System zum Einsatz. Sowjetische kompatible Entwicklungen aus dem Jahre 1939 trugen im Zivilbereich die Bezeichnung "ночь-1" und im Militäreinsatz den Namen "SPN-1".

Quellen und Literatur

  • Dr.-Ing. Peter Korrell: Zur Geschichte der Funknavigation in der UdSSR. In: Fliegerjahrbuch der DDR 1977, transpress-Verlag